Streckenflug im Graubünden

fanaas11

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Am Sonntag Abend bei MoMo am Tisch, wirft Andy Flüehler, den Bärn Gliders als kompetenter Flugführer bekannt, in gewohnter Briefing-Art in die Runde: „He, wüssed ihr was? De Mittwuch wird en super Tag. He … ich gan uf Fanas!“. Ja, Fanas, da wollte ich eigentlich schon immer mal hin, warum also nicht? Draussen regnet schon das dritte oder vierte Gewitter des Tages aus.

Zweiter Akt, Montagmorgen im Büro, es regnet noch immer in Strömen. Wie beginnt man eine Arbeitswoche? Richtig, man bereit sich auf den nächsten Flugtag vor, will heissen man studiert OLC Tracks und reserviert sich in Fanas einen Platz in der Seilbahn (081 325 19 39). Diese scheinen begehrt zu sein, jedenfalls ist die gewünschte 9:30 Gondel bereits voll und ich werde auf die 9:45 Gondel umgebucht.

Nun ist er also da, der Mittwoch. Früh geht es los und die mittelkurze Zugfahrt verläuft unspektakulär. Der Dampf des auf dem Weg liegenden Kernkraftwerk Gösgen schiesst fadengerade mit einem Affenzahn in die Höhe, der Temperaturgradient scheint also heute recht gut zu sein. Pünktlich um 9:16 stehe ich in Fanas bei der Seilbahn und stelle fest, dass auch noch ein paar andere die Idee haben hier zu fliegen. Einige ohne Reservation ziehen enttäuscht von dannen. Nach einiger Wartezeit kommt schliesslich „meine“ Gondel und der Tätschmeister der Seilbahn brüllt militärisch in die Runde „REUFER!“ … „JA!“. Alles tiptop durchorganisiert hier.

Gegen 10 Uhr komme ich oben auf der Alp an. Die Auswahl an Startplätzen ist gradios, so ist es trotz des grossen Andrangs kein Problem ein Plätzchen zu finden. Wie erwartet steht auch Andy schon oben und ist schon fast startbereit. Heute sei wohl nicht so der Hammertag, aber man schaue mal was draus wird. Während gerade die Topcracks mit ihren Wettkampfsicheln und Beinsäcken rausstarten um die erste feine Thermik anzukratzen, macht sich Andy an die letzten Vorbereitungen in Form der Montage eines gewissen Schlauchfortsatzes. Auf die photographische Dokumentation verzichte ich aus Anstandsgründen. Kurze Zeit später startet auch er grazil von diesem wohl flächsten Startplatz der westlichen Hemissphäre; Die Berner Allmend muss dagegen als Steilhang bezeichnet werden.

Nun wird es auch für mich Zeit in die Luft zu gehen, rumlauern kann ich auch zuhause. So finde ich mich um 11 Uhr im ersten schwachen Schlauch des Tages. Zuverlässig geht es hoch, einzig der viele Verkehr ist ein wenig störend. Nach einer halben Stunde geniesse ich auf 3000m die Aussicht auf das Prättigau, das Rheintal und die ganze restliche Bündner Bergwelt wie sie auch immer heissen mag.  Nun aber das Prättigau rauf, wir wollen ja noch ein wenig weiter heute. Häufig fragen einem Fussgänger, ob es denn genügend Wind habe zum fliegen. Heute kann dies definitiv bejaht werden, es hat mehr als genügend Wind. Gleich bei der ersten grossen Querung zum Stelserberg macht sich dieser bemerkbar und so will mein Epsilon nicht so recht vorankommen gegen den 15er Gegenwind. Also nichts wie rein in den Stampfer. Auf der 7km langen Querung ist erstmal ein Wechsel von den Finger- zu den Fausthandschuhen angesagt. Nicht alle Bärn Gliders hatten heute die Idee ein paar warme Handschuhe griffbereit zu halten… Fortsetzung:

Es hat sich gelohnt am Anfang voll aufzudrehen und so erreiche ich knapp die nächste Krete. Fluchend und frustiert kratze ich über einer Alphütte für eine gute Stunde rum und veschwitze die warmen Daunenhandschuhe. Jetzt nur nicht aufgeben und tatsächlich kommt plötzlich die rettende Blase, welche mich ein Stockwerk höher und bald wieder bis auf 3000m bringt. Die anderen Gleitschirme als Indikatoren werden immer wie weniger, werden aber glücklicherweise durch erste Wolkenfetzen abgelöst.

Bei der nächsten Querung Richtung habe ich zwar immer noch Gegenwind, doch der Wiedereinstieg klappt dort angekommen deutlich besser. An den grossen Südhängen steigt es zuverlässig und so finde ich mich rasch an der bereits auf 3300m angestiegenen Basis wieder. Über der Madrisa fliegt man über ein schöne zerklüftete Felslandschaft, noch immer liegt viel Schnee. Bis nach Klosters stehen nun keine Querungen mehr auf dem Programm und bequem kann von Wolke zu Wolke geflogen werden.

So, das Prättigau wär nun zu Ende. Was nun? Wieder nach Fanas zurückfliegen? Nein, langweilig. Nach 2.5h Flug in Klosters landen? Noch viel langweiliger. Richtung Davos gilt es das Prättigau zu queren und das gegen den Wind. Egal, ich packe allen Mut zusammen und drehe an einer der Madrisa vorgelagerten Alp nochmals richtig auf um danach meinen Epsilon Mongol Edition Richtung Gotschnagrat zu drehen. Über dem Tal staune ich über den schwächer als erwarteten Gegenwind und sehe zudem über dem Wald auf der Nordseite der Gotschna tief unten einen Schirm am Kreisen. Also nichts wie drauf los und tatsächlich steigt es an der Nordflanke grossflächig. Nicht übermässig stark, aber es geht aufwärts. Den Gotschnagrat kann ich überfliegen und auf der besseren Südseite weiterdrehen.

Ab hier liegt eine wunderbare Wolkenstrasse und auch die Basis ist auf über 3500m angestiegen. Leicht beschleunigt delphiniere ich also hinunter Richtung Davos. Wenig später überfliege ich das Weissflugjoch und stehe wieder vor der Entscheidung wie weiter? In Davos landen? Nein, da muss ich ja nächste Woche sowieso hin. Also überquere ich mit komfortablen 3500m den Weissfluhgipfel und wechsle ins Schanfigg. Doch der Weg nach Chur dem Tal entlang sieht blau und wenig einladend aus. Also ab nach Arosa? Nein, das riecht zu stark nach Sackgasse, also raus ins Blaue.

Ab hier wirds jedoch schwierig: Während im Prättigau der Wind mir aus SE frontal entgegenblies, kommt er mir hier perfekt aus W entgegen. Ab und zu bilden sich Wolken, deren Schatten schnell über den Boden ziehen, doch richtig schöne Schläuche stehen keine mehr. Nun bin ich schon 4h in der Luft und eine gewisse Müdigkeit macht sich bemerkbar. Bis nach Chur gilt es zwar nur noch den etwa 2km gegen den Wind liegenden Hochwang zu überqueren, aber das schaffe ich nicht mehr. So lande ich nach fast 4.5h Flug in Molinis. Als letzte Herausforderung des Tages gilt es den Schirm gegen Bündner Kühe zu verteidigen, aus irgendeinem Grund sind diese extrem scharf auf die Traggurte des Schirms lecken diese genüsslich ab.

Nach einem nicht unbedingt weiten, aber dafür langen und eindrücklichen Flug geht es mit dem Zug wieder heimwärts. Am Abend wird im OLC gejammert, es sei in Fanas ein schlechter Tag gewesen. Na wenn das keine Motivation ist nochmals hierhin zu kommen!

Jönu, Adi und Stefan sind übrigens heute vom Niesen nach Adelboden und zurück weit über den Thunersee geflogen.


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