Wettkampf-Fliegen, wie geht das?

Samstag Morgen, am Fuss des Weissensteins. Gut 50 Piloten mit ebenso vielen massigen Gleitschirmsäcken quetschen sich in ein einziges Postauto. Martin Scheel, Chef der Gleitschirmliga, hat ganz offensichtlich nicht mit so grossem Andrang gerechnet, sonst hätte er für dieses Ligafliegen wohl 2 Postautos bestellt… Jedenfalls wissen wir nun, dass es tatsächlich möglich ist 30 kg schwere Wettkampfausrüstungen in die Hutablage zu quetschen.

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Oben gibt es dank des grossen Startplatzes kein Gedränge, jeder hat Platz um seinen Krimskrams auszubreiten, bevor Martin die bunte Truppe von Grünschnäbeln bis Weltcup-Profis zum Briefing zusammentrommelt. Ein 60 km Task ist angesagt. Zuerst Richtung Biel, dann zurück an den Weissenstein, anschliessend Querung an die dritte Kette und zurück zum Weissenstein. Bodenstart 12.30h, Luftstart 30 min später.

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Wer denkt, so ein Wettkampf sei nichts anderes als eine Ansammlung egoistischer Piloten, der irrt. Gemeinsam mit einigen Freunden besprechen wir mögliche Routenwahlen und lösen technische Probleme unserer Varios (meines hat einen Tag zu früh auf Sommerzeit umgeschaltet). Gemeinsam macht’s viel mehr Spass!

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Punkt 12.30h beginnt dann das Spektakel – innerhalb von 5 Minuten sind fast 50 Schirme in der Luft und versuchen sich im Startschlauch möglichst gut zu positionieren. Um ein heilloses Durcheinander zu verhindern wird die Drehrichtung jeweils schon im Briefing festgelegt und jeden Tag gewechselt. Es lohnt sich also beidseitig Thermik auskurbeln zu können! 😉 In so einem grossen Pulk unterwegs zu sein ist schon eindrücklich. Anfangs sogar etwas einschüchternd, es ist mehr Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit gefragt als wenn ich alleine unterwegs bin. Aber bald beginnt es Spass zu machen! Abgesehen von ein paar „Touristen“ von anderen Startplätzen, die partout nicht die Drehrichtung ändern wollen/können, geht alles ganz gesittet zu und her. EN B-Schirme und Hochleister – alle wollen hoch hinaus und schauen aufeinander.

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Punkt 1 Uhr dann der Luftstart. Wie auf Kommando wenden 50 Schirme und fliegen in Richtung Biel los. In diesem Direktvergleich wird auch bald klar, welcher Schirm besser gleitet oder die Thermik besser mitnimmt. Und auch gute und schlechte Linienwahlen werden sofort  erkennbar, meine ist leider nicht ganz perfekt…

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Die Wanderer auf der Hasenmatt starren regungslos nach oben – die anrauschende Armada scheint sie zu beeindrucken. Schell zieht sich das Feld in die Länge – die Besten rauschen davon, andere fallen zurück. Ich finde mich irgendwo in der Mitte. An der ersten Jurakette geht’s nur harzig – schön wird’s erst an der zweiten und dritten Kette, wo wir regelrecht in die Luft katapultiert werden. Vorteil wenn so viele Schirme gleichzeitig in der Luft sind: Es wird immer und überall Thermik markiert! Und so lange man nicht zu den Spitzenpiloten gehört, gibt’s auch immer welche, denen man nachfliegen kann.  Leider finden nicht alle gleich viel Thermik, und schon bald sehe ich drei meiner Freunde im schönen Nirgendwo des Berner Juras landen… Auch bei mir wird’s auf dem Rückweg richtig knapp. Bei der Querung zurück an die erste Kette muss ich den Hintern einziehen und mich möglichst leicht machen, um noch über den Grenchenberg zu kommen…

Kurze Zeit später dann die Gewissheit – juhuu, ich habs ins Ziel geschafft! Einige der Freunde warten bereits, wir freuen uns gegenseitig. Andere werden wir aufmuntern, weil’s nicht bei ihnen nicht so geklappt hat wie gewünscht.

Abends gibt’s einen gemeinsamen Spaghetti-Plausch, gemütliches Beisammensein und ein Debriefing, bevor wird todmüde ins Bett fallen. Morgen gibt’s noch einen Task… Gähn.

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Beim zweiten Task, am Sonntag, saufe ich gleich nach dem Start auf dem Grenchenberg kläglich in der Inversion ab. Andere machen‘s besser. Ein Ansporn es ihnen das nächste Mal gleich zu tun! Martin Scheel hat am Newcomer Challenge, dem Ausbildungscamp für junge Piloten die sich für Wettkampf interessieren, gesagt: „Wer nicht verlieren kann, kann auch nicht gewinnen.“ Wenn das nicht ein Ansporn ist! 😀

Fotos: Martin Scheel, www.azoom.ch

Weitere Fotos vom Ligafliegen gibt’s unter: http://www.azoom.ch/fotos/suchergebnisse.php?shooting_no=637

Chris

 

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